Fiore kurzgefasst: Manuskripte, Meister und Schüler

In einem anderen Beitrag habe ich die ganze Kampfkunst von Fiore de’i Liberi kurz zusammengefasst. In diesem Beitrag geht es darum, die überlieferten Manuskripte und Fiores Überlegungen zu seiner Pädagogik kurz vorzustellen.

Vier Manuskripte von Fior di Battaglia sind bekannt:

Das Getty-MS ist das detailreichste der vier Manuskripte (wobei die anderen Manuskripte manchmal zusätzliche Details enthalten). Es ist in folgende Abschnitte aufgegliedert:

  1. Einführung mit Details über Fiores Lebenslauf, seine Schüler, und seine Pädagogik
  2. Unbewaffnetes Ringen
  3. Dolchkampf
    • Stock gegen Dolch
    • Unbewaffnet gegen Dolch
    • Dolch gegen Dolch
    • Dolch gegen Schwert
  4. Schwertkampf ohne Rüstung
    • Das Schwert in einer Hand
    • Das Schwert in zwei Händen
      • Largo
      • Stretto
  5. Schwertkampf in Rüstung
  6. Axt in Rüstung
  7. Speer in Rüstung
  8. Kämpfen zu Pferd
    • Lanze gegen Lanze
    • Schwert gegen Lanze
    • Schwert gegen Schwert
    • Ringen zu Pferd

In seiner Einführung geht Fiore kurz auf seinen Lebenslauf ein und stellt einige seiner Schüler vor. Anschließend stellt er die Methodik vor, anhand derer er die Techniken in seinem Text abbildet. Er schreibt:

Die Guardie, oder Poste, sind leicht zu erkennen. Einige Guardie stehen einander gegenüber und berühren sich nicht, sondern beobachten sich gegenseitig, um zu sehen, was der Gegner tun könnte. Diese werden “Poste” oder “Guardie” oder “die ersten Kampfmeister” genannt. Sie tragen eine Krone, was bedeutet, dass die Position, in der sie warten, optimal für die Verteidigung ist. Diese Guardie sind auch die Grundlage für die Handhabung von Waffen während man auf der Hut ist.

Eine “Posta” ist dasselbe wie eine “Guardia“. Eine Guardia oder Posta ist das, was man benutzt, um sich gegen den Angriff des Gegners zu verteidigen. Eine Posta oder Guardia ist eine “Haltung” gegenüber dem Gegner, mittels derer man ihn ohne Gefahr für sich selbst verletzen kann.

Der andere Meister, der diesen Guardie folgt, zeigt die Stücke, die aus den Guardie entstehen, und die Aktionen, die sich aus den Guardie ergeben. Dieser Meister trägt ebenfalls eine Krone und wird „Zweiter Meister“ oder „Gegenmeister“ genannt, da er nach den Regeln der Kunst die Angriffe vereitelt, die sich aus den zuvor gezeigten Haltungen ergeben.

Der zweite Meister, oder Gegenmeister, hat einige Schüler unter sich. Diese zeigen die Stücke, die der Gegenmeister ausführen kann, nachdem er seine Verteidigung ausgeführt hat. Diese Schüler tragen ein Abzeichen unterhalb des Knies. Sie führen alle Stücke des Gegenmeisters aus, bis ein anderer Meister erscheint, der den Konter zum Gegenmeister und allen seinen Schülern ausführt. Und weil er die Stücke des Gegenmeisters und seiner Schüler kontert, trägt dieser letzte Meister die Uniform des Gegenmeisters sowie die seiner Schüler, d.h. sowohl die Krone als auch das Abzeichen unterhalb des Knies. Dieser König heißt „Dritter Meister“ oder „Konter-Gegenmeister“, weil er die anderen Meister und ihre Stücke kontert.

Manchmal lässt die Kunst einen vierten Meister oder König zu, der den dritten König kontert. Ich nenne ihn den „vierten Meister“ oder den „Konter-Konter-Gegenmeister“. Nur wenige Stücke kommen jedoch über den dritten Meister hinaus, weil danach voller Gefahren steckt.

– Fiore de’i Liberi, Getty-MS, Einleitung; aus der englischen Übersetzung von Tom Leoni und Gregory Mele ins Deutsche übersetzt

Zusammengefasst heißt das:

  • Wichtige Konzepte werden als Figuren dargestellt, die “Meister”, “Schüler” oder “Spieler” sind.
  • Kampfmeister (1. Meister) werden am Anfang eines Abschnittes abgebildet, tragen eine Krone und stellen die Haltungen dar, die die Grundlagen der Waffenkunst ausmachen.
    • Diese Haltungen nennt man Poste oder Guardie
  • Gegenmeister (2. Meister) tragen ebenfalls eine Krone, befinden sich aber mitten im Kampf. Sie stellen Situationen dar, die sich aus den vorigen Haltungen ergeben.
  • Jeder Meister hat Schüler. Die Schüler tragen ein Abzeichen unterhalb des Knies und stellen Aktionen dar, die sich aus der Ausgangsposition ihres Meisters ergeben. Die Techniken, die die Schüler zeigen, sind also Weiterführungen aus der Situation heraus, in der sich der vorige Meister befindet.
  • Konter-Gegenmeister (3. Meister) stellen Techniken dar, die den vorigen Gegenmeister und seine Schüler kontern. Konter-Gegenmeister tragen eine Krone sowie ein Abzeichen unterhalb des Knies.
  • Manchmal gibt es einen Konter-Konter-Gegenmeister (4. Meister), der den 3. Meister kontert, aber nur selten.
  • Die Figuren, die weder Krone noch Abzeichen tragen, sind “Spieler”; diese stellen den Gegner dar.

9 responses to “Fiore kurzgefasst: Manuskripte, Meister und Schüler”

  1. […] In einem anderen Beitrag habe ich die vier bekannten Manuskripte von Fiores Fior di Battalgia kurz vorgestellt. […]

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  2. […] habe die ersten Seiten des Abschnitts über das Schwert in zwei Händen aus dem Getty-Manuskript aus der englischen Übersetzung von Tom Leoni und Gregory Mele ins Deutsche übersetzt (siehe […]

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  3. […] der Mitte des Getty-Manuskripts legt Fiore eine Pause von der Darstellung von Techniken ein und geht ein kurz auf die Werte seiner […]

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  4. […] Angriffe werden in zwei von den vier überlieferten Manuskripten von Fiore näher beschrieben. Da gibt uns Fiore weitere Hinweise zu den „sieben Schlägen des […]

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  5. […] die Interpretation der Bilder in Fiores Texten betrifft, sollten wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass seine Zeichnungen den Realismus […]

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  6. […] fange in diesem Beitrag mit dem ersten Stück von Fiore an: dem 1. Largo-Meister gekreuzt an den […]

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  7. […] diesem Beitrag geht es mit den vier wichtigsten Stücken des 2. Largo-Meisters gekreuzt an den Schwertmitten […]

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  8. […] diesem Beitrag werden die restlichen Stücke des 2. Largo-Meisters […]

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