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Ich lese aktuell Pietro Montes „Gesammelte Kampfkünste und Übungen“ und bin dabei auf ein Kapitel mit dem Titel „Wie man rennt“ gestoßen, und ich fand es witzig und aufschlussreich zu lesen, wie ein gebildeter Mensch aus den frühen 1500er Jahren etwas Alltägliches wie Rennen beschreibt.
Ich finde diese Passage besonders aufschlussreich, weil sie als einfaches Fallbeispiel für die Interpretation von körperlicher Bewegung anhand historischer Texte dienen kann. Nicht jeder weiß, wie man ficht, aber jeder weiß mehr oder weniger genau, wie das Rennen aussieht. Versuch mal, diese Passage so zu lesen, als ob du das historische „Rennen“ nicht kennen würdest und es rekonstruieren wolltest. Das ist ein bisschen so, wie es ist, historisches Fechten aus Texten zu rekonstruieren.
Hier ist die englische Übersetzung von Mike Prendergast und Ingrid Sperber und darunter meine Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche:
Book 2, Chapter 148 “On the way to run”
When we want to run, the breath is to be held back in ourselves, and strength is to be sent into the shoulders, and the body should always vigorously hang a little to the front, though upwards, and go on the points of the feet. Finally the top of the forehead should go before the point of the foot by at least one ell, so much that it seems always to want to fall forwards, and we should support ourselves with long strides, which do not allow us to fall, and it is fitting always to have such a mind that it seems to us that the course is only one step, since in that we can let go of ourselves a little, and all the way to the end we should go with this mind. The hands should go open and extended and hard. The arms though should be recollected upwards, and the legs should bend upright at the knees, that is, not allowing them to go back much, except that the feet should be lifted upwards, and the points of the feet should hang outwards a little; and it is appropriate to open the legs much, so that they take long strides; nevertheless we should hang forward as much as has been said, with the neck and the whole person raised, so that the person goes by itself, but, however, changing the feet must be observed to keep from falling. And among other rules for running, this is truly the best. The beginning and the end on which a man should be supported when he wants to exert himself in running, are to be observed differently, namely, above all opening the legs by the thighs as much as possible, for in this way the strides are long and the runner does not fall, and for the man to quickly catch on to this way of running and be trained in it he should for a few days, while walking without running, get used to opening the legs as much as possible by the upper part, so that the strides become very long, and having assumed this habit of walking it is easy to keep it when we are running.
Pietro Monte (1457-1509)
Exercitiorum Atque Artis Militaris Collectanea
(“Collected Martial Arts and Exercises“) published 27 Juli 1509
Englische Übersetzung von Mike Prendergast und Ingrid Sperber hier verfügbar
Und meine (versuchte) Übersetzung aus der englischen Übersetzung ins Deutsche:
Buch 2, Kapitel 148 „Wie man rennt“
Wenn wir rennen wollen, soll der Atem in uns zurückgehalten werden, und die Kraft soll in die Schultern geschickt werden, und der Körper soll immer energisch ein wenig nach vorne hängen, wenn auch nach oben, und auf den Fußspitzen gehen. Zuletzt soll die oberste Spitze der Stirn mindestens eine Elle vor die Fußspitze gehen, so sehr, dass man immer nach vorn fallen zu wollen scheint, und wir sollen uns mit langen Schritten abstützen, die uns nicht fallen lassen, und es ist angebracht, uns immer vorzustellen, dass es uns scheint, als sei der restliche Weg nur noch ein Schritt, denn darin können wir uns ein wenig loslassen, und den ganzen Weg bis zum Ende sollen wir mit diesem Gedanken laufen. Die Hände sollten offen und ausgestreckt und hart sein. Die Arme aber sollen zurückgezogen und nach oben gerichtet sein, und die Beine sollen sich an den Knien aufrecht beugen, das heißt, sie nicht viel zurückgehen lassen, nur die Füße sollen nach oben gehoben werden, und die Fußspitzen sollen ein wenig nach außen hängen; und es ist angebracht, die Beine viel zu öffnen, so dass sie lange Schritte machen; dennoch sollen wir so viel nach vorne hängen, wie schon gesagt wurde, mit dem Nacken und dem ganzen Körper erhoben, so dass der Körper von selbst geht, aber es muss darauf geachtet werden, die Füße zu wechseln, damit man nicht fällt. Und unter den anderen Regeln für das Rennen ist dies wirklich die beste. Der Anfang und das Ende, auf welche sich ein Mensch stützen soll, wenn er sich beim Rennen anstrengen will, sind unterschiedlich zu beachten, nämlich vor allem die Beine an den Oberschenkeln so weit wie möglich zu öffnen, denn so sind die Schritte lang und der Läufer fällt nicht, und damit der Mensch sich diese Art des Laufens schnell aneignen und darin geschult werden kann, sollte er sich einige Tage lang, während er geht, ohne schnell zu laufen, angewöhnen, die Beine so weit wie möglich mit dem oberen Teil zu öffnen, so dass die Schritte sehr lang werden, und nachdem er diese Gewohnheit beim Gehen angenommen hat, ist es leicht, sie beim Rennen beizubehalten.
Pietro Monte (1457-1509)
Exercitiorum Atque Artis Militaris Collectanea
(„Gesammelte Kampfkünste und Übungen“) veröffentlicht am 27. Juli 1509
Englische Übersetzung von Mike Prendergast und Ingrid Sperber hier verfügbar
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