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Zu lang, nicht gelesen:
Klingengriffe sind historisch belegt. In eine scharfe Klinge zu greifen ist zwar riskant, aber das Risiko einzugehen kann sich unter Umständen lohnen. Robin Swords erklärt das super in nur 42 Sekunden in diesem Video.
Kann man beim Schwertkampf sicher in eine scharfe Klinge greifen?
Man könnte meinen, dass die Antwort „nein, natürlich nicht“ lautet, aber dann würde man überrascht von der großen Menge an künstlerischen und textlichen Belegen, die das Gegenteil beweisen. Zumindest in der europäischen Schwertkunst scheinen die Menschen häufig in scharfe Klingen gegriffen zu haben.
Hier nur eine kleine Auswahl von Bildern aus Fechtbüchern aus verschiedenen Jahrhunderten, die den absichtlichen Kontakt zwischen einer Klinge und einer (oft bloßen!) Hand zeigen, sowohl in als auch ohne Rüstung, und beim Einsatz unterschiedlicher Waffen:
Was machen die denn da? Sind die bescheuert?
Angesichts solcher häufigen Zeichnungen fühlt man sich vielleicht veranlasst, einige Hypothesen darüber aufstellen, was es mit diesen Bildern auf sich hat:
- „Die Fechtmeister, die diese Techniken empfohlen haben, waren bekloppt“
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht
- Wenn nur ein oder zwei Fechtmeister das Greifen in die Klinge empfehlen würden, könnten wir sie als Ausreißer abtun, aber das ist nicht der Fall
- Zumindest bestimmte Arten des Klingengreifens sind im mittelalterlichen europäischen Fechten üblich; fast alle Fechtquellen aus dieser Zeit zeigen z.B. das Greifen der eigenen Schwert- oder Dolchklinge
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht

- „Diese Techniken waren nur für das Fechten mit stumpfen Fechtwaffen gedacht und wären niemals im Ernstkampf gegen eine scharfe Waffe eingesetzt worden“
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht
- In vielen Quellen weist der Autor ausdrücklich darauf hin, dass sein Fechten für Kämpfe mit scharfen Waffen gedacht ist
- Manchmal ist der beabsichtigte Kontext einer Fechtquelle unklar, aber die Art und Weise, wie eine Technik gezeichnet oder beschrieben wird, lässt auf die Anwendbarkeit in einem Ernstkampf schließen
- Wenn zum Beispiel ein Klingengriff dazu eingesetzt wird, um den Arm des Gegners zu brechen, ist das wahrscheinlich nicht für einen freundschaftlichen Wettkampf gedacht
- Klingengriffe und Ringen waren bei vielen historischen Fechtturnieren verboten; der Klingengriff wäre also im Wettbewerbskontext eine Nischentechnik, für Veranstaltungen, die es erlauben
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht

- „Frühere Schwerter und Dolche waren nicht so scharf; wäre es ein späteres Schwert (oder ein japanisches Katana!!1!), wären solche Techniken unmöglich“
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht
- Könnte man sich mit einer üblichen mittelalterlichen Schwertklinge rasieren? Vielleicht nicht. Aber das sollte nicht der einzige Maßstab für die Schärfe einer Klinge sein
- Zwar sind einige Schwerter tatsächlich schärfer oder besser zum Schneiden geeignet, und manche auf den Stich ausgelegte Schwerter und Dolche haben nur eine geringe oder gar keine Schneidfähigkeit, aber verschiedene archäologische und künstlerische Beweise deuten darauf hin, dass europäische Schwerter und Messer des Mittelalters und der Renaissance scharf waren
- Selbst Schwerter und Messer aus der Bronzezeit waren scharf! Die Menschen des Mittelalters waren durchaus in der Lage, sehr scharfe Waffen herzustellen
- Hier einige Videos über die Schärfe mittelalterlicher Schwerter:
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht

Obwohl manche spezialisierte Handschuhe mit einem Kettenpanzer auf der Handfläche ausgestattet waren, um das Greifen von Klingen zu erleichtern, hatten die meisten historischen Panzerhandschuhe keine Panzerung auf der Handfläche.
- „Diese Techniken waren nur für das Kämpfen in Rüstung gedacht“
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht
- Einige historische Techniken, bei denen man die Klinge greift, sind tatsächlich für den gerüsteten Kampf spezialisiert, aber nicht alle
- Einige Klingengrifftechniken sind beim Kampf ohne Rüstung dargestellt
- Manchmal weist der Autor ausdrücklich darauf hin, dass die Technik ohne Rüstung gemacht werden kann
- Einige Techniken wären überflüssig, wenn man eine Rüstung an hätte
- Manche gehen davon aus, dass Panzerhandschuhe auch Panzerung für die Innenseite der Hand bieten, aber das ist in der Regel nicht der Fall
- Bei den meisten Panzerhandschuhen wird die Innenseite der Hand nur durch einen normalen Lederhandschuh geschützt, sodass ein ungepanzerter Mensch mit normalen Handschuhen genauso gut vor Schnitten in die Handfläche geschützt wäre
- Einige historische Techniken, bei denen man die Klinge greift, sind tatsächlich für den gerüsteten Kampf spezialisiert, aber nicht alle
- Meiner Meinung nach stimmt das nicht
- „Bei den dargestellten Situationen handelt es sich um seltene Ausnahmesituationen“
- Meiner Meinung nach kommt es auf die Zeit und die Quelle an.
- Es stimmt zwar, dass Fechtbücher manchmal abgefahrene Situationen als Kuriosität darstellen, aber das ist bei vielen Klingengrifftechniken eindeutig nicht der Fall
- Manchmal wird vom Autor ausdrücklich empfohlen, in die eigene oder in die gegnerische Klinge zu greifen
- Manche Fechtquellen (vor allem spätere) behandeln Klingengriffe tatsächlich als Kuriosität
- Man muss zugeben, dass keine historische Fechtquelle Klingengriffe als die Hauptabwehrtechnik darstellt, und alle Autoren empfehlen, einen stumpfen Teil der gegnerischen Waffe zu greifen, wenn dies möglich ist
- Meiner Meinung nach kommt es auf die Zeit und die Quelle an.
Meiner Meinung nach tauchen diese Techniken so oft auf, weil sie vorkamen und die Leute sie für nützlich hielten. Wir dürfen Klingengriffe nicht einfach als dumm abtun. Wenn man davon ausgeht, dass die Autoren dieser Fechtquellen Ahnung hatten, können wir untersuchen, wie diese Techniken hätten funktionieren können.
Wie schneidet ein Schwert?
Du hast bestimmt bereits ein gut informiertes Verständnis, wie scharfe Dinge schneiden, aber fassen wir zwecks der Diskussion dieses Verständnis in Worte.

Eine Schneide kann auf zwei Arten schneiden:
- Ausreichende Kraft wird direkt über die Schneide auf das Ziel gelenkt
- Die Schneide wird gegen das Ziel gedrückt und am Ziel entlang gezogen
Wenn keine dieser Voraussetzungen erfüllt ist, spielt es keine Rolle, wie scharf eine Klinge ist – sie wird nicht schneiden. Je schärfer die Klinge (oder je schwächer das zu schneidende Medium), desto weniger Kraft ist erforderlich, aber eine gewisse Kraft ist immer erforderlich.
In anderen Worten braucht ein Schnitt eine gewisse Qualität, um Schäden zu verursachen.
Wie kann man „sicher“ eine scharfe Klinge greifen?
„Sicher“ ist hier ein relativer Begriff. Versteh mich nicht falsch: es ist riskant, eine scharfe Klinge zu greifen. Es besteht immer die Möglichkeit, dass etwas schief geht und man sich schneidet. Gleichzeitig muss man bedenken, dass ein Kampf mit scharfen Schwertern nun mal riskant ist, und zwar nicht nur für die Hände!
Zugestandenes Risiko mal beiseite, kann man das Risiko reduzieren, indem man die zwei oben genannten Schneidevoraussetzungen beeinträchtigt:
- Man verringert die Kraft, die über die Schneide in das Ziel gelenkt wird
- Man verringert die Rutschgefahr der Klinge, indem man sie festsetzt
Mit diesen beiden Ansätzen im Hinterkopf können wir uns einige mildernde Faktoren einfallen lassen, die die Erfolgschancen eines Klingengriffs steigern. Keiner dieser Faktoren garantiert, dass man nicht geschnitten wird, aber je mehr von ihnen zutreffen, desto geringer ist die Gefahr:

- Die Klinge steht still
- Dies beeinträchtigt die 1. Schneidevoraussetzung; wenn sie sich nicht bewegt, gibt es eine Kraftquelle weniger
- Natürlich kann auch eine stillstehende Klinge schneiden, wenn etwas Anderes Kraft auf die Klinge aufbringt: Wenn du zum Beispiel eine stillstehende scharfe Kante mit der Hand schlagen würdest, würde das bestimmt nicht gut ausgehen
- Man drückt überwiegend gegen die Flächen der Klinge, nicht gegen die Schneiden
- Dies beeinträchtigt die 1. Schneidevoraussetzung; weniger oder keine Kraft wird durch die Schneide in die Hand geleitet
- Dies ist oft machbar, wenn man die eigene Klinge greift
- Es ist nicht immer praktisch möglich, wenn man die gegnerische Klinge greift


- Irgendetwas hindert den Gegner daran, die Schneide in das Ziel zu drücken
- Dies beeinträchtigt die 1. Schneidevoraussetzung
- Ein paar Beispiele:
- Du hast seine Arme unter Kontrolle
- Du hast eine bessere Hebelwirkung über seine Waffe als er selbst
- Der Gegner steht in einer ungünstigen Position
- Deine Waffe blockiert die gegnerische Waffe
- Die Kontaktfläche zwischen Schneide und Ziel ist im Verhältnis zu den einwirkenden Kräften groß
- Dies beeinträchtigt die 1. Schneidevoraussetzung; je größer die Kontaktfläche, desto größer ist die erforderliche Kraft, um den gleichen Schnitt zu machen
- Aus diesem Grund kann man eine Rasierklinge mit der bloßen Hand greifen, auch wenn die Schneiden an den Fingerspitzen anliegen, solang man nicht zu fest hält

- Man hat die Klinge fest im Griff, sodass sie nicht verrutschen kann
- Dies beeinträchtigt die 2. Schneidevoraussetzung
- Man trägt Handschuhe
- Dadurch werden beide Schneidevoraussetzungen durch eine zusätzliche Schutzschicht und einen festeren Griff beeinträchtigt

- Der Klingenquerschnitt eignet sich zum Greifen
- Eine Rasierklinge ist schmal gestaltet, um eine feinere Schneide zu ermöglichen – eine auf die Größe eines Schwertes vergrößerte Rasierklinge wäre jedoch entweder schwer oder schlaff
- Echte Schwerter müssen einen Kompromiss zwischen verschiedenen Eigenschaften (wie Klingensteife, Breite, Länge und Gewicht) eingehen, und manche Schwerter sind „sicherer“ zu greifen als andere, auch wenn sie dennoch sehr gut schneiden können
“Bitte nicht nachmachen!” Videos
Wenn du noch nicht überzeugt bist, kannst du viele Videos finden, in denen Menschen ein scharfes Schwert mit bloßen Händen greifen, ohne sich zu schneiden. Hier ein paar Beispiele:
- Robinswords: “Sword Grabs and Risk” (0:42)
- Skallagrim: “Why grabbing a sharp blade in a sword fight is not crazy” (8:57)
- Hand parries with a sharp rapier (4:25)
- Schola Gladiatoria: “The TRUTH about GRABBING sword BLADES” (18:16)
- Schola Gladiatoria: Samurai katana halfsword techniques: Gripping (~1:00)
Welche Klingengriffe sieht man in historischen Quellen?
Historische Techniken, bei denen es Kontakt zwischen den Händen und der eigenen oder gegnerischen Klinge gibt, lassen sich in ein paar grobe Kategorien einteilen. Manche dieser Kategorien sind in der modernen historischen Fechtszene „umstrittener“ als andere.

- Die eigene Klinge greifen
- Warum?
- Um das Schwert wie einen Hebel zu benutzen, um Ringen und Würfe zu erleichtern
- Um eine besonders starke Deckung zu machen
- Um starke und präzise Stöße durch Lücken in der Rüstung zu erleichtern
- Um das Schwert wie einen Hammer zu benutzen
- Um das Schwert zu verkürzen, und aus nächster Nähe wie einen Dolch zu benutzen
- Wann ist das sicher?
- Solange du die Kontrolle über deine Waffe hast, kannst du einigermaßen sicher sein, welche Kräfte auf sie auswirken, und dich entsprechend darauf einstellen
- Wie umstritten ist das unter historischen Fechtern heute?
- Selten umstritten
- Ist das in modernen Wettkämpfen erlaubt?
- Fast immer
- Warum?

- Die gegnerische Klinge nach einer guten Deckung greifen
- Warum?
- Ein Klingengriff gibt dir ein kurzes Zeitfenster relativer Sicherheit, um den Kampf zu beenden
- Wann ist das sicher?
- Wenn deine Deckung der gegnerischen Waffe den Schwung genommen hat, hast du die Verwundungsmöglichkeiten verringert
- Wenn deine Waffe der gegnerischen Waffe Widerstand leistet, kannst du die gegnerische Waffe kontrollieren, während du sie greifst
- Wenn du die Kontrolle über den Waffenarm des Gegners durch eine Ringtechnik hast, kann er seine Waffe nicht effektiv benutzten
- Wie umstritten ist das unter historischen Fechtern heute?
- Oft umstritten
- Ist das in modernen Wettkämpfen erlaubt?
- Es kommt auf das Turnier an
- Auch wenn es grundsätzlich erlaubt ist, können Kampfrichter oft nur schwer einschätzen, ob der Griff sicher gewesen wäre, und manche lassen Klingengriffe nur selten gelten
- Warum?

- Einen Stich mit der Hand abwehren (besonders gegen stichlastige Waffen)
- Das ist zwar kein Klingengriff, aber es ist ähnlich
- Warum?
- Wenn deine Hauptwaffe nicht in der Verteidigung eingesetzt ist, kannst du gleichzeitig angreifen und dich verteidigen
- Wann ist das sicher?
- Beim Stich wird die Kraft überwiegend auf die Spitze und nicht auf die Schneide gerichtet, was die Schneidewirkung reduziert
- Solche Abwehraktionen sind in der Regel sanfte wegfegende Bewegungen, die auf die Fläche der Klinge zielen, sodass wenig Kontakt zwischen Hand und Schneide entsteht
- Lange, auf den Stich ausgelegte Klingen haben oft weniger Schneidefähigkeit
- Im Gegensatz dazu sehen wir praktisch keine Handparaden, die auf die Klingen kurzer Waffen wie Dolche und Messer zielen, da diese schnell und klein sind (aber, weil die Waffe kurz ist, kann man stattdessen oft den Waffenarm greifen oder abwehren)
- Wie umstritten ist das unter historischen Fechtern heute?
- Gegen Schwerter mit reiner Stoßklinge nicht umstritten
- Gegen Hiebwaffen etwas umstritten
- Gegen kurze Waffen wie Dolche und Messer sollten Handparaden eher nicht auf die Klinge zielen
- Ist das in modernen Wettkämpfen erlaubt?
- Es kommt auf das Turnier an
- Auch wenn es grundsätzlich erlaubt ist, können Kampfrichter manchmal nur schwer einschätzen, ob die Handparade sicher gewesen wäre

- Handparaden als Ergänzung zu normalen Paraden (besonders gegen stichlastige Waffen)
- Das ist zwar kein Klingengriff, aber es ist ähnlich
- Warum?
- Wenn die Parade nicht ganz ausreicht, ist eine oberflächliche Schnittwunde zur Hand besser als ein Stich zum Körper
- Wann ist das sicher?
- Da diese Handparade nur eine Ergänzung zur normalen Parade ist, berührt die Hand die gegnerische Waffe im Idealfall kaum oder gar nicht
- Wie umstritten ist das unter historischen Fechtern heute?
- Überhaupt nicht umstritten
- Ist das in modernen Wettkämpfen erlaubt?
- Ja, aber falls der Arm mit Qualität getroffen wird, bekommt dein Gegner dafür Punkte
- Wenn man einen Treffer auf ein hochwertiges Ziel mit dem Arm abblockt, erhält der Gegner bei manchen Turnieren die Punkte für das hochwertige Ziel, um zu verhindern, dass Gliedmaßen absichtlich geopfert werden
Du kannst die Bilder am Anfang dieses Beitrags in diese vier Kategorien einteilen.
Welche Klingengriffe sieht man NICHT in historischen Quellen?
Im Gegensatz dazu gibt es hier einige Arten von Klingengriffen, die niemand zu empfehlen scheint:
- Klingengriffe oder Handparaden zur gegnerischen Klinge als Hauptverteidigungsaktion
- Handparaden, die auf die Klinge einer kleinen Waffe (wie Dolch oder Messer) zielen
- Klingengriffe gegen eine sich bewegende Klinge, ohne deren Schwung vorher mit einer Deckung zu stoppen
- Einen Waffenhieb mit der Hand wegzufegen
- “Aber was wenn ich nur die Fläche der Klinge wegfege?” Ne, klappt nicht – schau dir diese Erklärung von Sword STEM an
- Einen Waffenhieb mit den Händen zu fangen
- Das klappt nur in Anime

Bitte nicht nachmachen!














































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